Die europäische Vermögensverwaltungsbranche befindet sich in einer massiven Konsolidierungswelle. Asset Management ist ein Geschäft der Skaleneffekte: Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit hängen davon ab, große Vermögensvolumina zu verwalten und gleichzeitig Kosten zu optimieren. In diesem Umfeld versuchen führende Akteure wie Amundi, ihre Position durch strategische Übernahmen und technologische Innovationen zu stärken. Doch während die Schlagzeilen der Branche vor allem auf Übernahmen und verwaltetes Vermögen fokussiert sind, vollzieht sich bei Amundi eine Transformation, die weit über klassische Konsolidierung hinausgeht: Der französische Vermögensverwalter entwickelt sich zunehmend zu einem Technologie-Champion im Asset Management.
Asset Management: Das Streben nach Größe
Die jüngsten Entwicklungen verdeutlichen den starken Konsolidierungsdruck in der Branche. Ein Beispiel ist der Deal von BNP Paribas, das für 5 Milliarden Euro Axa Investment Managers übernimmt und damit einen europäischen Champion mit einem verwalteten Vermögen von 1,5 Billionen Euro schafft. Auch Amundi versucht, seine Marktposition durch Fusionen und Übernahmen zu stärken. Im Februar 2024 hatte Amundi den Schweizer Vermögensverwalter Alpha Associates übernommen.
Ein weiteres ambitioniertes Projekt ist der potenzielle Zusammenschluss mit Allianz Global Investors (AGI). Diese Fusion würde einen europäischen Riesen mit 2,8 Billionen Euro verwaltetem Vermögen schaffen. Hier liegen die Verhandlungen – aufgrund von Uneinigkeiten über die Führungsstruktur des fusionierten Unternehmens – auf Eis. Während die Branche gespannt auf den Ausgang dieser Gespräche blickt, bleibt eine andere, ebenso spannende Entwicklung weitgehend unbeachtet: Amundi transformiert sich zunehmend von einem traditionellen Asset Manager zu einem europäischen Tech-Champion im Wealth-Management-Bereich.
Die 149-Millionen-Wette: Amundis geheimer Plan gegen BlackRocks Tech-Imperium
Abseits des medialen Fokus auf große Fusionen verfolgt Amundi eine bemerkenswerte strategische Entwicklung: Der Vermögensverwalter baut systematisch seine Technologiekompetenzen aus und etabliert sich als ernstzunehmender europäischer Konkurrent zur dominanten Aladdin-Plattform von BlackRock. Ein zentraler Meilenstein dieser Strategie war die Übernahme des deutschen Wealth-Management-Softwareunternehmens aixigo für 149 Millionen Euro im November. Auf den ersten Blick könnte man vermuten, dass diese Akquisition primär dem Zugang zu den IT-Systemen großer europäischer Banken dient. Diese Annahme greift jedoch zu kurz, da ein solcher Zugang durch den Erwerb weiterer Asset Manager einfacher und kostengünstiger zu erreichen wäre – insbesondere angesichts der vergleichsweise hohen Bewertung von aixigo. Die tiefere strategische Bedeutung dieser Übernahme liegt vielmehr in aixigos Expertise für modulare, API-basierte Plattformen, die datenintensive Lösungen im Portfolio- und Wealth-Management ermöglichen. Mit der Integration von aixigo erweitert Amundi einen Technologie-Stack im bestehenden ALTO-System – einer cloudbasierten Plattform für Portfoliomanagement und Risikoanalyse – rund um zentrale Fähigkeiten große Datenmengen im Wealth- und Asset-Management schnell zu verarbeiten und fundierte Investmententscheidungen zu ermöglichen. Damit positioniert sich Amundi zunehmend als Technologieunternehmen und fordert BlackRocks Aladdin-Plattform direkt heraus.
Angriff auf BlackRocks Aladdin-Monopol
BlackRocks Aladdin-Plattform gilt als unangefochtener Marktführer im technologiegetriebenen Asset Management und setzt Maßstäbe in der Branche. Aladdin ist ein proprietär entwickeltes Datenanalysesystem, das riesige Datenmengen verarbeitet und komplexe Analysen durchführt, um Investitionsentscheidungen zu unterstützen. Es wird nicht nur von BlackRock selbst genutzt, sondern auch von zahlreichen anderen Finanzdienstleistern – darunter sogar Konkurrenten – was die Marktmacht der Plattform unterstreicht. Neben Finanzdienstleistern bietet Aladdin seinen Kunden – beispielsweise große Tech-Unternehmen wie Alphabet und Apple – umfassende Lösungen für Risikoanalyse, Portfoliokonstruktion und Berichterstattung.
Die Magie der Plattform-Ökonomie: Wie BlackRock auch in Krisenzeiten 6% wächst
Der Vorteil einer solchen Plattformstrategie liegt auf der Hand: Aladdin bietet BlackRock im Vergleich zu seinen Wettbewerbern eine differenzierte Wachstumsquelle, die auch in Marktabschwüngen eine verlässliche und wiederkehrende Einnahmequelle darstellt. Das bedeutet, dass BlackRock organisch durch sein Plattformgeschäft wachsen kann, anstatt auf teure und aufwendige anorganische Zukäufe angewiesen zu sein. Statt Konkurrenten zu übernehmen, wachsen die Kunden von BlackRock einfach mit. Dieser Ansatz spiegelt sich auch in den Geschäftszahlen wider: Aladdin generierte 2022 1,4 Milliarden Dollar Umsatz und trug damit 8% zum Gesamtumsatz von BlackRock bei. Während BlackRocks Gesamtumsatz um 7% sank, wuchs das Technologiegeschäft um 6%. Ein Blick auf die Belegschaft von BlackRock unterstreicht diese Ausrichtung: Der Großteil der Mitarbeitenden ist im Bereich Technologie und Daten tätig. Dies führt zu der Schlussfolgerung: Asset Management ist ein Tech-Game. Amundis ALTO-Plattform verfolgt möglicherweise ein ähnliche Strategie wie Aladdin.
Organisches Wachstum durch Technologie
Dass die These nicht ganz aus der Luft gegriffen ist, dafür reicht bereits ein Blick in die öffentlichen Unternehmenspräsentationen. Amundis Ziele für 2025 sind ambitioniert: Der Umsatz der Technologiesparte soll auf 150 Millionen Euro steigen, während gleichzeitig die Assets under Management (AuM) mit Drittvertrieben auf 400 Milliarden Euro ausgebaut werden sollen. Die ersten Erfolge zeigen sich bereits: Im dritten Quartal 2024 erzielte Amundi Technology einen Umsatz von 20 Millionen Euro – ein Plus von 41,8% im Vergleich zum Vorjahresquartal und ein Wachstum von 13% gegenüber dem zweiten Quartal desselben Jahres. Bis zur direkten Konkurrenz mit Aladdin ist es jedoch noch ein weiter Weg – zumindest wenn man nach den Zahlen geht. Insgesamt lässt sich Amundi das Wachstum etwas kosten: Die operativen Ausgaben stiegen um 7,4% im Vergleich zum dritten Quartal 2023 auf 456 Millionen Euro. Dieser Anstieg bleibt jedoch unter der Umsatzsteigerung von 10,5% im gleichen Zeitraum und generiert damit einen positiven Skaleneffekt. Der Kostenanstieg geht hauptsächlich auf beschleunigte Investitionen in Entwicklungsinitiativen zurück – ganz im Sinne des 2025 Ambitions Plans, besonders im Technologiebereich.
Amundi: Mehr als nur ein Asset Manager
Amundi befindet sich an einem Wendepunkt: Während klassische Übernahmen kurzfristige Skaleneffekte ermöglichen, bietet der Aufbau einer konkurrenzfähigen Technologieplattform langfristig nachhaltiges Wachstumspotenzial durch wiederkehrende Einnahmeströme aus Softwarelösungen. Mit ALTO und aixigo hat Amundi die Grundlage geschaffen, um BlackRocks erfolgreichen Weg vom reinen Vermögensverwalter zum technologiegetriebenen Finanzunternehmen nachzuahmen. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob es Amundi gelingt, sich als europäischer Tech-Champion im Asset Management zu etablieren – eine Position, die nicht nur Größe erfordert, sondern auch Innovationskraft im Bereich Technologie. Sollte diese Strategie aufgehen, könnte Amundi nicht nur BlackRocks Aladdin herausfordern, sondern auch neue Maßstäbe für das Asset Management in Europa setzen.