Die zentrale Frage im Wealth Management hat sich in den letzten Jahren verändert. Sie ist nicht mehr „wo sollen wir spielen?“, sondern „wie können wir gewinnen?“. Gründe hierfür sind insbesondere Globalisierung, Digitalisierung und FinTech-Innovationen.
Warum? Die Hinweise sind deutlich. Die Spielregeln haben sich grundsätzlich verändert. Grenzen zwischen Fachrichtungen und Kundengruppen werden unschärfer. Strategische Änderungen müssen her. Wealth Management kann mittlerweile als Tech-Game gespielt werden und nennt sich WealthTech. WealthTech spielt allerdings auf einem deutlich größeren Feld als es klassisches Wealth Management tut. Es zwingt einerseits vormals fragmentierte Märkte in eine Konkurrenzsituation und hinein in den roten Ozean, bietet andererseits auch die Möglichkeit hieraus zu entkommen. Joshua Olbrich hat am Beispiel von Amundis Strategie eindrucksvoll herausgearbeitet.
Doch wie kommt die Branche damit zurecht?
War in der Branche früher der Kern des Werteversprechens immer der, wohlhabenden Kunden bei der Ansammlung, dem Schutz und dem verantwortungsvollen Wachstum ihres Vermögens zu unterstützen, so sehen sich Fintechs und progressive Teilnehmer heute eher als unpersönliche Enabler. Sie bieten ihren Service per App überall und zu jeder Zeit einer deutlich größeren Kundengruppe an und ermöglichen den Aufbau von Wohlstand in Eigenverantwortung durch niedrige Kosten. Ein persönlicher Ansprechpartner ist nicht günstig, doch scheinen die Kostenvorteile, die WealthTech ihren Kunden bietet, einer vertrauensvollen Betreuung gegenüber zu überzeugen. Wachstumszahlen der neuen Konkurrenz zeigen ein deutliches Bild: Trade Republic hat seine Kundenanzahl von 2024 zu 2025 etwa verdoppelt (von vier auf acht Millionen) und das verwaltete Vermögen knapp verdreifacht, auf mittlerweile über 100 Milliarden Euro!
Wie geht es weiter? Drei Strategien für die Zukunft im Wealth Management
Gutes WealthTech senkt die Kosten, die je neuem Nutzer anfallen, auf nahezu null und reicht Kostenvorteile weiter. Für Kunden ist das attraktiv, sodass Wachstumsraten wie die von Trade Republic möglich sind. Logischerweise ist dadurch auf der anderen Seite der Druck auf alte Strukturen enorm, da Kunden durch mehr Handlungsspielraum zunehmend an Macht gewinnen und Wealth Manager in einen Differenzierungs- oder Preiskampf zwingen. Somit sorgt es aber gleichzeitig auch für enorme Chancen für alle Teilnehmer. Angesicht dieser Entwicklungen sieht die Zukunft für Wealth Manager wie folgt aus: Um überdurchschnittlich erfolgreich zu sein und um dem roten Ozean zu entkommen, sollten sie den wahrgenommenen Netto-Wert für ihre Kunden steigern um mehr Marktanteile zu gewinnen oder für ihr eigenes WealthTech-Ökosystem Services entwickeln, um damit neue Kundensegmente erschließen zu können. Das Leadership wird über den Ausgang entscheiden: auf welches Spiel will man sich ausrichten und wie mutig wird man vorangehen, um eine Veränderungskultur zu etablieren? Entscheidet man sich, den Fokus auf das Kerngeschäft zu legen oder schenkt man Mitarbeitern mit hybridem Skillset aus Finanzen und IT mehr Gehör?
Hier sind drei mögliche Wege für Wealth Manager, ihr Geschäft für die Zukunft auszurichten. Für eine individuelle strategische Ausrichtung stehen wir Ihnen gerne beratend zur Seite:
1. Wachstum durch M&A: Wir bleiben beim Kerngeschäft und behaupten uns im roten Ozean
Der langfristige Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit soll durch die Erzielung von Skaleneffekten, die Erschließung neuer Märkte und/oder durch Erweiterung der Produktpalette sichergestellt werden. Der Klassiker sozusagen. Hometurf. Business as usual. Durch die Konsolidierungen lassen sich operative Effizienzen steigern, etwa durch die gemeinsame Nutzung von bestehenden Technologien, Personaleinsparungen oder die Reduzierung redundanter Prozesse. Gleichzeitig ermöglichen es neue Märkte und eine größere Kundenbasis, das Geschäft zu skalieren.
Der Erfolg von M&A hängt stark davon ab, wie gut die Integration der fusionierten Unternehmen gelingt. Unterschiedliche Unternehmenskulturen, IT-Systeme oder Geschäftsstrategien können den Integrationsprozess erschweren und potenzielle Synergien mindern. Zudem birgt diese Strategie das Risiko, dass der Fokus auf Wachstum durch Übernahmen den Blick für Innovationen oder die Anpassung an veränderte Kundenbedürfnisse trüben könnte.
2. Hybridmodell: der Spagat zwischen Wealth Management und WealthTech
Eine andere Strategie ist der Spagat zwischen traditionellem Wealth Management und innovativen WealthTech-Lösungen. Hierbei kombinieren Unternehmen ihre Kernkompetenzen – wie persönliche Kundenberatung und langjährige Erfahrung – mit neuen Technologien, um ein hybrides Geschäftsmodell zu schaffen. Diese Herangehensweise erlaubt es Wealth Managern, sowohl bestehende Kundenbeziehungen zu stärken als auch neue Kundensegmente anzusprechen, insbesondere die Affluent-Kundengruppe.
Die Erschließung und Bereitstellung kundenorientierter Beratung für Kunden aus dem Affluent-Segment, gehört zu einer der größten Herausforderungen im Wealth Management. Die Fähigkeit der Branche, auf die Bedürfnisse dieser Kunden in Hinblick auf deren finanzielle Gesundheit einzugehen, bleibt deutlich hinter den Fähigkeiten zurück. Um das Affluent-Segment zu erschließen, muss den neuen Kunden wachsende Unterstützung bereitgestellt werden, um ihre finanzielle Gesundheit angesichts wachsender Volatilität zu erhalten. Verpasst man diese Chance und wartet darauf, dass sich Kunden ihre Unterstützung über Dritte oder bei der Konkurrenz holen, befindet man sich häufig anschließend in einem Race-to-the-Bottom Preiskampf. Der Schlüssel zum Aufbau von Vertrauen und Engagement bei Affluents besteht also darin, ihnen Unterstützung und Werkzeuge bereitzustellen, sodass sie bessere Entscheidungen treffen können.
Diese Strategie ist wie ein Drahtseilakt zwischen Technologie und menschlicher Interaktion. Während digitale Tools Effizienzgewinne ermöglichen, bleibt der persönliche Kontakt ein entscheidender Faktor für den Aufbau langfristiger Kundenbeziehungen. Unternehmen, die diesen Spagat erfolgreich meistern, positionieren sich nicht nur als innovative Anbieter, sondern schaffen auch eine nachhaltige Grundlage für zukünftiges Wachstum.
3. Der Griff nach den Sternen: Das SaaS WealthTech-Game, zurück ins blaue Gewässer?
Das Heben von Effizienzen und das Freilegen verborgener Fähigkeiten in den eigenen IT-Systemen gehört nicht unbedingt zu den Lieblingsbeschäftigungen von Bankern. Das erklärt vermutlich auch die augenscheinlich große Kluft zwischen Fintech und dem klassischem Bankgeschäft. Doch es ist machbar. BlackRock macht es mit Aladdin vor und Amundi hat das Potential erkannt. Die Wachstumszahlen geben ihnen Recht. Der Umsatz von Amundi Technology wuchs im Jahr 2023 um 24 % und im dritten Quartal 2024 bereits um 41,8 % im Vergleich zum Vorjahresquartal.
Ist einmal ein offenes und performantes WealthTech Betriebssystem geschaffen, lassen sich mit vergleichsweise geringen Mitteln zahlreiche Services aufbauen. Die Möglichkeit das B2B Geschäft zu erschließen ist geschaffen. Ein Beispiel zum besseren Verständnis: Bietet die eigene Plattform Portfolioverwaltung, Risikoanalyse, Handel und Compliance für die eigenen Kunden, so ließe sich hieraus ebenfalls ein SaaS-Modell für institutionelle Kunden bauen. Dies schafft nicht nur zusätzliche Umsätze durch Lizenzgebühren, sondern positioniert das Unternehmen auch als Technologieführer in der Branche.