Die Haltung der U.S. Securities and Exchange Commission (SEC) gegenüber Kryptowerten hat sich seit 2018 deutlich gewandelt. Eine anfängliche De-facto-Klarstellung, dass etablierte Kryptowerte wie Bitcoin und Ether keine Wertpapiere seien, gab der Branche Auftrieb. In den folgenden Jahren unter Vorsitz von Jay Clayton und Gary Gensler verschärfte die SEC jedoch den Ton: Regulierung durch Durchsetzung trat an die Stelle neuer Regeln, was zu zahlreichen Verfahren gegen Krypto-Projekte und -Börsen führte. Dies sorgte einerseits für mehr Marktintegrität und zwang fragwürdige Akteure zum Rückzug, brachte aber andererseits Rechtsunsicherheit für innovative Unternehmen. Aktuell (Stand April 2025) zeichnet sich unter dem neuen SEC-Vorsitz Paul Atkins ein Kurswechsel ab. Dieser Artikel analysiert die historische Entwicklung der SEC-Position von William Hinmans wegweisender Rede 2018 bis heute, beleuchtet positive wie negative Aspekte für die Kryptoindustrie, diskutiert die Auswirkungen auf verschiedene Marktsegmente – von institutionellen Investoren (z.B. BlackRock) bis zu Start-ups (z.B. Ripple, Circle) – und wagt einen Ausblick auf zukünftige Regulierungsansätze wie Safe-Harbor-Regeln, Stablecoin-Oversight und internationale Harmonisierung.
Historischer Überblick: Rollercoaster SEC
Die Hinman Rede 2018
Im Juni 2018 setzte William Hinman, Direktor der SEC-Abteilung für Unternehmensfinanzierung (Leiter der SEC’s Division of Corporation Finance), einen wichtigen Marker für die Regulierung von Kryptowährungen. Auf einer Konferenz erklärte Hinman in einer vielbeachteten Rede, dass er Ether (ETH) nach seinem Verständnis nicht als Wertpapier einstuft. Ausschlaggebend sei, dass das Ethereum-Netzwerk ausreichend dezentralisiert sei – es gebe “keine zentrale Figur oder Gruppe”, deren Managemententscheidungen den Wert von Ether bestimmen, sodass „eine Behandlung von Ether als Wertpapier heute wenig Sinn ergibt“. Bereits zuvor hatte die SEC signalisiert, Bitcoin nicht als Wertpapier zu betrachten, was Hinman bestätigte. Diese Aussagen – obgleich formal als persönliche Meinung eines SEC-Offiziellen deklariert – schufen erstmals eine Art De-facto-Regel: Die beiden größten Kryptowährungen Bitcoin und Ether würden von der SEC nicht wie Aktien oder Anleihen behandelt. Hinman ging sogar weiter und stellte in Aussicht, dass ein Token, der zunächst als Wertpapier verkauft wurde, mit wachsender Dezentralisierung im Laufe der Zeit seinen Wertpapier-Status verlieren könne. Diese Safe Harbor-ähnliche Idee weckte in der Branche Hoffnung auf pragmatische Lösungen. Chairman Jay Clayton unterstützte Hinmans Ansatz kurz darauf vor dem US-Kongress und bekräftigte, dass die Behörde an einer klaren Abgrenzung arbeite.
Clayton-Ära (2017–2020)
Jay Clayton, SEC-Vorsitzender von 2017 bis Ende 2020, vertrat grundsätzlich eine Linie der vorsichtigen Offenheit: Blockchain-Technologie sei interessant, doch müssten sämtliche Angebote die Wertpapiergesetze einhalten. Unter Clayton veröffentlichte die SEC 2017 den DAO-Bericht, der klarstellte, dass viele Initial Coin Offerings (ICOs) als Wertpapierangebote zu qualifizieren sind. In den Jahren 2018–2019 ging die SEC konsequent gegen zahlreiche ICO-Projekte wegen Verstößen vor. Clayton selbst bemerkte sinngemäß, er habe „bislang noch kein ICO gesehen, das nicht als Wertpapierangebot zu werten ist“, was den Ton angab. Tatsächlich leitete Clayton in seiner Amtszeit 57 krypto-bezogene Vollzugsmaßnahmen ein – vom Verkauf nicht registrierter Tokens bis zu Betrugsfällen. Diese Durchgriffe trafen etwa prominente Fälle wie Telegram (TON) und Kik (KIN), deren Token-Verkäufe gestoppt wurden, sowie Betrugsprojekte, wodurch der wilde ICO-Markt deutlich abgekühlt wurde. Zugleich bemühte sich die Clayton-SEC um Orientierung für legale Wege: 2019 veröffentlichte sie einen Leitfaden zum Howey-Test für digitale Assets, und Kommissarin Hester Peirce begann, einen Safe Harbor-Vorschlag auszuarbeiten, der Start-ups einen zeitlich begrenzten legalen Raum für Token-Ausgaben geben sollte.
Gegen Ende der Clayton-Ära kam es jedoch zu einem Paukenschlag: Im Dezember 2020 – buchstäblich an Claytons letztem Amtstag – verklagte die SEC das kalifornische FinTech-Unternehmen Ripple Labs wegen des Vorwurfs, über Jahre mit dem Verkauf des Tokens XRP ein nicht registriertes Wertpapier angeboten zu haben. Ripple, einst ein Vorzeige-Start-up für Blockchain-Zahlungen, kündigte umgehend einen entschiedenen Gerichtsprozess an. CEO Brad Garlinghouse kritisierte offen, anstatt endlich klare Regeln für Krypto in den USA zu schaffen, habe Clayton „unerklärlicherweise beschlossen, Ripple zu verklagen und die eigentliche Rechtsklärung der nächsten Administration überlassen“. Dieser Rechtsstreit sollte für die Branche zum Präzedenzfall werden und markiert den Übergang in eine Phase größerer Unsicherheit.
Die Gensler-Jahre (2021–2024)
Mit dem Wechsel der US-Regierung 2021 wurde Gary Gensler – ein ehemaliger CFTC-Chef und ausgewiesener Krypto-Experte – zum SEC-Chair ernannt. Die Branche hoffte zunächst, Gensler würde klare, progressive Regelungen schaffen. Doch seine Herangehensweise entpuppte sich als deutlich strenger als erwartet. Genslers Kernbotschaft: Für Krypto bedürfe es keiner neuen Gesetze – nahezu alle Token (ausgenommen Bitcoin) seien bereits Wertpapiere, und existierende Regeln würden ausreichen. Immer wieder betonte er, die überwiegende Mehrheit der Krypto Token erfülle die Kriterien des Howey-Tests für Anlageverträge und falle somit unter die US-Wertpapiergesetze. Spezialregeln oder Ausnahmen lehnt er ab: „Nothing about the crypto markets is incompatible with the securities laws“, so Gensler 2022 – es brauche keinerlei Sonderbehandlung. Seine Aufforderung an die Branche lautete: „Kommt zu uns, redet mit uns und registriert Euch – wartet nicht, bis wir anklopfen.”.
In der Praxis führte Genslers Ansatz zu einer beispiellosen Intensivierung von Enforcement-Maßnahmen. Anstatt neue Regeln zu formulieren, machte die SEC durch Durchsetzung Fakten. So zielte sie zunächst auf Krypto-Finanzprodukte: Bereits 2021 wurden Zinsplattformen (z.B. BlockFi) abgemahnt oder sanktioniert; 2022 folgten Verfahren gegen nicht registrierte Börsenbetreiber wie Poloniex und dezentralisierte Protokolle (DEX‘s). 2023 eskalierte der Konflikt offen: Im Juni klagte die SEC innerhalb von 48 Stunden sowohl die weltgrößte Kryptobörse Binance als auch die größte US-Börse Coinbase an. Der Vorwurf: Betrieb nicht lizenzierter Wertpapierbörsen und Handel/Listing zahlreicher Token, die die SEC als Wertpapiere einstuft. Konkret listete die Behörde bei Coinbase 13 bekannte Kryptowerte (u.a. Solana, Cardano, Polygon) als „Crypto-Asset Securities“ auf. Gensler kommentierte die branchenweite Praxis unverblümt: „Das gesamte Geschäftsmodell (vieler Börsen) basiert auf Nichtbefolgung der US-Wertpapiergesetze, und wir fordern sie auf, sich endlich konform zu verhalten.“
Die Folgen dieses harten Kurses waren dramatisch: Viele Krypto-Unternehmen in den USA beklagten, die SEC lasse ihnen keine klaren Regeln an die Hand und überschreite ihre Zuständigkeit. Branchenverbände wie die Blockchain Association zeigten sich kämpferisch – CEO Kristin Smith erklärte, man sei zuversichtlich, dass „die Gerichte Chair Gensler mit der Zeit eines Besseren belehren werden“. Tatsächlich suchten mehrere Akteure ihr Heil vor Gericht: Ripple focht den laufenden Prozess energisch an und erreichte im Juli 2023 einen vielbeachteten Teilerfolg – ein Bundesrichter urteilte, dass Ripple beim öffentlichen Verkauf von XRP an Privatanleger nicht gegen Wertpapiergesetze verstoßen habe (während institutionelle Direktverkäufe weiterhin als Wertpapier-Deals gelten). Dieses Urteil stellte die pauschale SEC-Position infrage und schuf erstmalig rechtliche Grauzonen, was ein „Investment Contract“ im Krypto-Kontext genau ist. Parallel errang der Vermögensverwalter Grayscale Investments im August 2023 vor dem Berufungsgericht D.C. einen wichtigen Sieg: Die Richter erklärten die SEC-Argumentation gegen einen Bitcoin-ETF als unzureichend und kippten die Ablehnung eines Antrags. Der Druck auf die Gensler-SEC wuchs damit erheblich.
Inmitten dieser Entwicklungen erlitt der Kryptosektor 2022/23 mehrere spektakuläre Markterschütterungen (Terra-LUNA-Kollaps, FTX-Insolvenz). Gensler sah sich bestätigt und bezeichnete die Branche als „durchsetzt von Betrug und Missständen“. Kritiker hielten dagegen, die SEC habe sich zu sehr auf technisch regelkonforme Projekte eingeschossen und dabei wirkliche Betrüger (wie FTXs Sam Bankman-Fried) mangels Zuständigkeit nicht verhindern können. Bis 2024 blieb die SEC unter Gensler ihrer harten Linie treu, obwohl sowohl interne Kritiker wie Hester Peirce als auch Gesetzgeber mehr Klarheit forderten. Immerhin kam es Ende 2023 zu einem historischen Wendepunkt: Im Januar 2024 gab die SEC – nach fast einem Jahrzehnt Weigerung schließlich grünes Licht für mehrere Spot-Bitcoin-ETFs. Gensler begründete dies ausdrücklich mit veränderten Umständen, insbesondere dem Gerichtsurteil im Fall Grayscale, und erklärte, der nachhaltigste Weg sei nun, die Zulassung von Bitcoin-ETFs zu ermöglichen. Dieser Schritt galt als späte Anpassung an den Markt und wurde allgemein als positives Signal an institutionelle Investoren gewertet.
Neustart unter Chair Paul Atkins (ab 2025)
Die US-Präsidentschaftswahl 2024 brachte einen politischen Wechsel, der sich auch auf die SEC-Politik auswirkte. Im Januar 2025 endete Genslers Amtszeit – kommissarisch übernahm Mark Uyeda die Leitung und leitete umgehend einen Kurswechsel ein. Uyeda, zusammen mit der Krypto-freundlichen Kommissarin Hester Peirce, stellte klar, dass man die als überzogen empfundene Durchsetzungsstrategie der Vorgängerregierung korrigieren wolle. Eines seiner ersten Amtshandlungen war die Einrichtung einer Crypto-Task-Force unter Leitung von Hester Peirce, mit dem Auftrag, das Vertrauen zwischen SEC und Industrie wiederherzustellen. Überraschend wurden im ersten Quartal 2025 ungewöhnlich viele laufende Krypto-Verfahren der SEC eingestellt oder auf Eis gelegt. So beendete die SEC im Februar 2025 das Verfahren gegen Coinbase einvernehmlich und stellte die Klage ein, bevor es zum Urteil kam. In einer Stellungnahme dazu kritisierte Hester Peirce rückblickend die Vorständler der Vorgängerzeit scharf: Die Strategie, mangels Regeln einfach das Enforcement-Team auf die Kryptoindustrie anzusetzen, habe „der amerikanischen Öffentlichkeit geschadet, der Branche geschadet und die eigene Belegschaft davon abgehalten, ihre Expertise sachgerecht einzusetzen“. Unklare rechtliche Rahmenbedingungen hätten ein Paradies für Betrüger und ein Minenfeld für redliche Innovatoren geschaffen – ehrliche Entwickler würden ins Ausland getrieben, während sich zwielichtige Akteure in den Graubereichen verstecken konnten. Diese deutlichen Worte aus dem Munde einer SEC-Insiderin unterstrichen den Neustart: Künftig solle Regelsetzung wieder Vorrang vor Regeldurchsetzung haben.
Im April 2025 wurde schließlich Paul Atkins als neuer ständiger SEC-Chair bestätigt. Atkins, ein ehemaliger SEC-Kommissar mit reputationsmäßig eher marktfreundlicher Haltung, ließ in seinen ersten Amtstagen aufhorchen. Bei einem SEC-Roundtable zu digitalen Assets erklärte er offen, die Behörde habe in den letzten Jahren durch „regulatorische Ungewissheit“ die Innovation im Kryptosektor abgewürgt. „Marktteilnehmer, die diese Technologie voranbringen, verdienen klare Regeln für ihren Weg“, so Atkins. Diese Aussage markiert einen 180-Grad-Umschwung in Ton und Inhalt: Statt weitere Strafmaßnahmen anzukündigen, spricht der SEC-Chef nun von verbindlichen Leitplanken und einem Dialog mit der Industrie. Schon vor Atkins Amtsantritt zeichnete sich diese Wende ab: Die SEC hatte Anfang 2025 begonnen, aktiv an neuen Regulierungsregeln für Krypto zu arbeiten und, wie erwähnt, mehrere Enforcement-Verfahren de facto auszusetzen. Beobachter erwarten, dass Atkins diesen Kurs bestätigt. Tatsächlich deutete er in seiner Bestätigungsanhörung an, seine Prioritäten seien Investorenschutz vor Betrug, politische Neutralität in der Rechtsanwendung und „klare Regeln, die Investitionen fördern“. Erste Schritte in der Ära Atkins sind etwa eine personelle Verschlankung der Behörde und fokussierte Ermittlungen nur noch bei eindeutigen Betrugsfällen mit Anleger-Schaden. Insgesamt steht die SEC im Frühjahr 2025 somit an einem Wendepunkt: Nach Jahren des konfliktreichen Schlagabtauschs mit der Kryptobranche, wird nun die Hand ausgestreckt.
Vertiefte Implikationen für die verschiedenen Marktsegmente
Die Haltung der SEC gegenüber Krypto betrifft nicht alle Marktteilnehmer gleichermaßen. Institutionelle Investoren, Privatanleger, Banken und Start-ups stehen jeweils vor spezifischen Chancen und Herausforderungen. Im Folgenden werden die Implikationen differenziert nach Segment beleuchtet, anhand realer Beispiele – von BlackRock über Ripple und Circle bis Coinbase.
Institutionelle Investoren: BlackRock und der Weg zum Bitcoin-ETF
Für institutionelle Investoren (etwa Vermögensverwalter, Pensionsfonds, Versicherungen) war die regulatorische Unsicherheit lange ein Hauptgrund, Kryptowerte zu meiden. Große Player dürfen meist nur in regulierten Märkten agieren. Die SEC-Position der letzten Jahre war hier zweischneidig. Einerseits schreckte die strikte Haltung einige ab – andererseits motivierte sie etablierte Finanzakteure, den Dialog zu suchen und compliant-Produkte zu entwickeln. Das prominenteste Beispiel ist BlackRock, der weltgrößte Asset Manager. BlackRock beobachtete Bitcoin und Co. zunächst skeptisch, änderte dann aber seine Einschätzung: CEO Larry Fink bezeichnete Bitcoin 2023 als „digitales Gold“ und sah immenses Kundeninteresse. Im Juni 2023 reichte BlackRock überraschend einen Antrag für einen Spot-Bitcoin-ETF ein, inklusive eines ausgefeilten Überwachungs-Sharing-Agreements zur Betrugsprävention. Diese Initiative – von einem solchen Schwergewicht – setzte die SEC erheblich unter Druck. Unter Gensler wurden Anträge zuvor reihenweise abgelehnt, doch BlackRock erhöhte die politischen Kosten einer Ablehnung. Tatsächlich genehmigte die SEC schließlich im Januar 2024 mehrere Spot-Bitcoin-ETFs, darunter das iShares Bitcoin Trust von BlackRock.
Für institutionelle Investoren bedeutete dies einen Durchbruch: Erstmals konnten sie in den USA ein reguliertes Bitcoin-Produkt erwerben, mit SEC-gestempeltem Prospekt und Verwahrung bei einer zugelassenen Depotbank. Die Zulassung trieb daraufhin beachtliche Mittel in diese Produkte – allein BlackRocks ETF verzeichnete in den ersten Monaten Milliardenzuflüsse, was die Marktkapitalisierung von Bitcoin weiter steigerte. Dieses Beispiel zeigt, dass die harte SEC-Linie letztlich zu einem klaren Regelwerk führte, das Institutionellen den Einstieg erleichtert.
Gleichzeitig mussten institutionelle Krypto-Interessenten auf dem Weg dorthin viel Geduld aufbringen. Zwischen dem ersten Bitcoin-ETF-Antrag (Winklevoss, 2013) und der finalen Zulassung 2024 lagen über 10 Jahre und mehr als 20 Ablehnungen. Manche sehen hierin verlorene Zeit, in der US-Anleger nur via Graumarkt (z.B. GBTC-Fonds mit Abschlag) investieren konnten, während in Kanada oder Europa schon früher Krypto-ETPs handelbar waren. Dennoch: Mit der späten Wende hat die SEC den Weg freigemacht, dass Traditionsfirmen wie BlackRock, Fidelity oder Invesco nun ihr ganzes Vertriebs- und Marketinggewicht hinter Krypto-ETFs stellen können. Die Implikation ist, dass Krypto sich dadurch zunehmend als anerkannte Anlageklasse etabliert – insbesondere Bitcoin wird im Portfolio-Kontext vergleichbar zu Gold oder Rohstoffen betrachtet.
Retail-Investoren: Coinbase und die Auswirkungen auf Privatanleger
Für Retail-Investoren, die in Krypto investieren möchten, zeigte sich die SEC-Haltung als zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite betont die Behörde den Anlegerschutz: Man wolle Kleinanleger vor betrügerischen Angeboten oder undurchsichtigen Plattformen schützen. Auf der anderen Seite führten die regulatorischen Einschränkungen dazu, dass Retail-Kunden in den USA teils weniger legale Anlagemöglichkeiten hatten als anderswo, was einige in unregulierte Märkte trieb.
Ein zentrales Beispiel ist Coinbase, die größte US-Kryptobörse mit über 100 Millionen Kunden. Coinbase positionierte sich früh als „regulierte Brücke“ für Retail-Anleger in die Krypto-Welt, mit Sitz in den USA, Registrierung bei FinCEN als Geldtransmitter und später sogar einem erfolgreichen Börsengang 2021 (die SEC genehmigte den Coinbase-Börsenprospekt damals, was viele als stillschweigendes Einverständnis mit dem Geschäftsmodell deuteten). Coinbase ermöglichte Privatanlegern den einfachen Kauf von Dutzenden Kryptowährungen. Unter Gensler geriet das Unternehmen jedoch ins Fadenkreuz der SEC: Man warf Coinbase vor, auf seiner Plattform nicht registrierte Wertpapiere zu handeln, nämlich jene Tokens, die aus SEC-Sicht als Investment Contracts einzustufen seien. Außerdem bemängelte die Behörde den Staking-Service von Coinbase – die SEC qualifizierte auch dies als wertpapierähnliches Angebot. Im Juni 2023 folgte die Klage.
Für US-Retail-Anleger hätte ein scharfer Kurs der SEC gegen Coinbase massive Einschnitte bedeutet: Im schlimmsten Fall drohte, dass viele beliebte Altcoins nicht mehr auf legalen US-Plattformen gehandelt werden dürften. Tatsächlich zog Coinbase nicht-amerikanische Kunden in Erwartung regulatorischer Härten bereits auf eine separate Offshore-Plattform um und erwog, bei weiterer Eskalation das US-Geschäft einzuschränken.
Positiv gesehen hat der SEC-Druck aber auch Retail-Schutzziele vorangebracht: Coinbase und andere US-Plattformen haben inzwischen strengere Compliance- und Transparenzstandards umgesetzt (KYC/AML, Prüfung neu gelisteter Projekte, Risiko-Disclosure etc.), um zu zeigen, dass sie kundenschützend agieren. Außerdem lenkte die SEC die Aufmerksamkeit der Privatanleger auf die Unterschiede zwischen regulierten und unregulierten Angeboten. Beispielsweise veröffentlichte Gensler educational videos, in denen er vor dem fehlenden Schutz auf Krypto-Handelsplätzen warnte und riet, nur Plattformen zu nutzen, die sich an die Regeln halten (auch wenn Coinbase argumentierte, dies sei ohne maßgeschneiderte Regeln kaum möglich).
Die Einigung unter der neuen SEC-Führung 2025, das Verfahren gegen Coinbase einzustellen, dürfte für Retail-Investoren in den USA eine gute Nachricht sein. Sie signalisiert, dass Handel für Privatanleger weiterhin innerhalb gewisser Grenzen möglich bleibt, ohne dass abrupt große Vermögenswerte delistet werden müssen. Es besteht Hoffnung, dass stattdessen ein Registrierungsverfahren für Krypto-Börsen entwickelt wird, das Plattformen wie Coinbase rechtliche Sicherheit gibt und zugleich Anlegern Schutzmechanismen (ähnlich wie bei Wertpapierbörsen) bietet.
Kurzum: Für Privatanleger brachte die SEC-Haltung zwiespältige Auswirkungen. Einerseits wurden sie vor vielen schlechten Angeboten bewahrt (zahlreiche betrügerische ICOs oder Lending-Programme verschwanden vom US-Markt). Andererseits fühlten sie sich manchmal entmündigt, weil die SEC ihnen z.B. bis 2024 keinen legalen Krypto-ETF zugestand oder weil sie bestimmte populäre Coins nicht im regulierten Umfeld handeln konnten. Die Herausforderung bleibt, einen Mittelweg zu finden, der Privatanleger schützt, ohne ihnen unnötig Gelegenheiten vorzuenthalten. Coinbase als zentraler Retail-Gateway wird hierbei eine Schlüsselrolle spielen: Sein Umgang mit der SEC dürfte den künftigen Zugang der US-Privatanleger zum Kryptomarkt maßgeblich beeinflussen.
Banken und traditionelle Finanzinstitute: Vorsichtige Annäherung
Banken und traditionelle Finanzdienstleister standen dem Kryptosektor lange ambivalent gegenüber. Einerseits erkannten sie das Potenzial von Blockchain (etwa für Effizienzsteigerungen im Zahlungsverkehr), andererseits scheuten sie das direkte Engagement wegen regulatorischer Unwägbarkeiten und Reputationsrisiken. Die Haltung der SEC – neben der von Bankaufsichtsbehörden – beeinflusste stark, in welchem Umfang Banken sich auf Krypto einlassen.
In der Clayton-Ära gingen Großbanken erste vorsichtige Schritte: JPMorgan entwickelte 2019 intern „JPM Coin“ für Blockchain-Transaktionen, Goldman Sachs eröffnete 2021 wieder einen Krypto-Handelsschalter für Institutionelle, BNY Mellon stieg ins Kryptoverwahrgeschäft ein, usw. All dies geschah jedoch im Rahmen dessen, was als mit SEC-Regeln vereinbar galt – zumeist beschränkte man sich auf Bitcoin und Ether, die nicht als Wertpapier galten. Sobald es um tokenisierte Wertpapiere oder neue Coins ging, hielten sich Banken zurück, um nicht unbeabsichtigt als nicht lizenzierter Broker dazustehen.
Die SEC unter Gensler verstärkte eher die Zurückhaltung der Banken. 2022/23 warnten zudem US-Bankenregulatoren (FED, OCC, FDIC) offen vor Krypto-Geschäftsrisiken und untersagten manchen Banken bestimmte Krypto-Aktivitäten. Das Zusammenspiel führte zu der paradoxen Situation, dass Banken dem Kryptosektor eher die kalte Schulter zeigten, was letztlich zur Folge hatte, dass Krypto-Unternehmen Probleme hatten, überhaupt Bankkonten oder Zahlungsverkehr zu unterhalten. Der Kollaps von Silvergate Bank und Signature Bank (beides Krypto-freundliche Institute) Anfang 2023 verschärfte diese Problematik – wenngleich die SEC hier keine direkte Rolle spielte, zeigte es doch, wie gering integrierbar Krypto ins traditionelle Banking bisher war.
Gleichzeitig erkannten aber immer mehr Banken, dass eine wachsende Kundennachfrage nach Krypto-Services besteht – insbesondere bei vermögenden Privatkunden und Family Offices. Morgan Stanley und Bank of America boten ausgewählten Kunden bereits Investments in Bitcoin-Fonds an. Diese Schritte erfolgten sehr vorsichtig und in enger Abstimmung mit Regulatoren. Die SEC-Entscheidung, Krypto-ETFs zuzulassen, wurde von Banken begrüßt, da sie nun ihren Kunden einfacher Kryptoexposure anbieten können, ohne selbst Coins halten zu müssen. Auch die SEC-Vorschriften zu Kryptoverwahrung durch Broker-Dealer (eine No-Action Letter 2020 erlaubte begrenzt die Verwahrung von Token) und ein geplanter Custody Rule Update 2023 zeigten, dass man daran arbeitete, Banken und regulierten Depotstellen klare Vorgaben für Krypto zu geben.
Dennoch bleibt die Unsicherheit: Viele Token gelten (oder galten) aus SEC-Sicht als Wertpapiere, sind aber nirgends registriert – eine Bank dürfte solche „grauen“ Wertpapiere nicht einfach handeln oder verwahren, ohne sich Haftung auszusetzen. Solange hier keine Lösungen gefunden sind (etwa durch nachträgliche Registrierung oder Klassen-Ausnahmen), bleiben Banken im direkten Handel mit vielen Coins außen vor. Stabilecoins wiederum – für Banken hochinteressant als Brücke zwischen Fiat und Krypto – landeten 2023 im Fadenkreuz der SEC, als diese dem Anbieter Paxos vorwarf, sein Stablecoin BUSD könne ein nicht registriertes Wertpapier sein. Diese Aktion sorgte in Banken für Alarm: Sollten Stablecoins tatsächlich als Wertpapiere gelten, würde ihr Gebrauch im klassischen Banking sehr kompliziert. Circle’s CEO Allaire argumentierte daher, die SEC sei „nicht der richtige Regulator für Stablecoins“, hier müsse eher eine Zahlungssystem-Aufsicht greifen.
Die Implikation für Banken ist, dass sich eine engere Zusammenarbeit mit Regulatoren auszahlt. Einige große Banken sind inzwischen in Arbeitsgruppen mit der SEC/CFTC vertreten, um Standards auszuloten. Unter Chair Atkins könnten Banken voraussichtlich mehr Offenheit erfahren, z.B. in Form eines No-Action-Letters, der ihnen bestimmte Krypto-Dienstleistungen erlaubt, ohne Angst vor Strafe. Insgesamt war die SEC-Haltung für Banken bisher eher bremsend – sie verhinderte, dass Banken sich übereilt ins Abenteuer stürzten, sorgte aber auch für Frustration, weil ein lukrativer neuer Markt vorerst unerschlossen blieb. Die nächsten Jahre werden entscheiden, ob die Wall-Street-Banken dank klarerer Regeln (Stablecoin-Gesetz, Token-Klassifizierung) aus der Deckung kommen. Beispiele wie BNY Mellon’s Krypto-Verwahrservice zeigen, dass sobald die Compliance Fragen gelöst sind, Banken bereitstehen, um als vertrauenswürdige Infrastruktur dem Kryptomarkt zu dienen.