Neo-Wealth: „Kann es sein, dass für jeden Kunden, den Trade Republic gewinnt, die Konkurrenz einen verliert?“ Diese spitze Frage von Finanz-Szene.de zeigt deutlich: Der Shift im Anlageverhalten „junger Kunden“ (unter 40-ish) ist in der traditionellen Finanzwelt noch nicht wirklich angekommen. Der Kundenkontakt scheint verloren. Junge Anleger informieren sich heute eigenständig außerhalb des Einflussbereichs klassischer Banken, die weiterhin auf den Vertrieb aktiver Fonds setzen. Dabei hat sich das Wissen um Kostenstrukturen, passives, langfristiges Investieren und Diversifikation längst verschoben – und damit auch die Erwartung an Dienstleistung und Produkt.
Neue Informationsquellen: r/finance, Twitch & Youtube
Die neuen Kundenkanäle heißen r/finance, Twitch & Youtube. In den Subforen finden Kunden alles, was ein Anleger zu Beginn braucht. In den Streams von Finanzfluss laufen Live-Portfolio-Checks bekannter Streamer, während der Live-Chat der Community durchläuft und Host sowie Gast per Webcam zugeschaltet sind. Eltern von Teenagern können gerne mal fragen, wer von dem Nachwuchs Rumarta, Trymacs, papaplatte und Chefstrobel kennt. Das sind nämlich diejenigen, die ihr Portfolio offenlegen und als Vorbilder und Vermittler dienen. So sieht die Zukunft aus, wie sich junge Kunden über Anlagen informieren. In diesen Kanälen spielen traditionelle Banken schlicht keine Rolle mehr in der Vermittlung von Anlagewissen und beim Erstkontakt mit Geldanlage.
Anspruchshaltung an das moderne Portfolio
Entgegen möglicher Vorurteile: Diese Formate behandeln Geldanlage mit großer Seriosität und Verantwortung. Es wird offen und transparent über Vermögen, Anlagen und Geld gesprochen. Die Streamer teilen ihre Gedanken, Gewinne und Verluste. Themen wie US-Gewichtung, Gamestop-Hype, verschiedene Einzelaktien und die Zukunft des japanischen Marktes werden in einer Tiefe und Differenzierung diskutiert, die man sonst wahrscheinlich nur bei Top-Beratern findet – hier aber kostenlos und digital verfügbar. Neben klassischen ETFs wie MSCI World finden sich in den Portfolios auch Uhren, Bitcoin und collectiables wieder. Dies spiegelt die Anspruchshaltung an Banken wider, solche alternativen Anlageklassen abbilden zu können.
Demokratisierung von Private-Banking-Leistungen
Neobanken und Broker wie Revolut und Robinhood stocken gerade in diesem Bereich auf. Auch immer mehr Leistungen, die sonst im Private Banking und der Beratung verortet wären, werden nativ auf die bestehenden Portfolios aufgesetzt. In Deutschland sind ähnliche Entwicklungen bei Scalable, Trade Republic und noch jüngeren Angeboten wie NAO zu beobachten.
Die DAI-Zahlen sowie die Zahlen zu den Mittelzuflüsse in aktive und passive Fonds unterlegen die fundamentale Veränderung im Anlageverhalten: Junge Anleger setzen verstärkt auf kostengünstige ETFs, während aktive Fonds kaum noch eine Rolle spielen. Zwar liegt das Geld und damit die Marge aktuell noch bei der älteren Generation, doch die Jüngeren werden dieses Vermögen erben – nicht aber zwangsläufig die Berater und Banken. Es erscheint unwahrscheinlich, dass junge Kunden zu traditionellen Bankangeboten zurückkehren, wenn diese nicht grundlegend überarbeitet werden. Wie im Doppelgänger Tech Talk Podcast diskutiert wurde: „Short Retail Banking, long Neobroker“. Die Erbschaftsthematik verschiebt den Markt, da die jüngeren Generationen zunehmend Geld erben und dieses zu Neobrokern transferieren, wie Philipp Klöckner betont.
Neo-Wealth, der nächste Wachstumsmotor
Das Segment Neo-Wealth zählt zu den zentralen Zukunftsthemen. Für die Ansprache der jungen Generation sind entsprechende Trading-Angebote entscheidend: Sie treffen Anlageentscheidungen selbstbestimmt, zeigen höhere Risikobereitschaft und sind oft besser informiert. Finanzen werden zunehmend Teil eines gemeinsamen kulturellen Verständnisses, erkennbar an Phänomenen wie Memecoins und Memestonks. Die jüngere Generation als Zielgruppe ist aus mehreren Gründen wichtig:
- Sie fungieren als langfristige Wachstumsmultiplikatoren, insbesondere durch Vermögenstransfer und Arbeitsaktivitäten.
- Sie teilen positive Erfahrungen bereitwilliger mit Freunden.
- Es gibt einen stärkeren Peer-to-Peer-Einfluss bei Finanzthemen.
- Ältere Generationen neigen dazu, den Trends der Jüngeren zu folgen.
Ob die aktuellen Zahlen nun ein „Schock für klassische Banken und Sparkassen“ sind, sei dahingestellt. Fest steht jedoch, dass das Portfolio einer klassischen Bank derzeit kaum in einem Live-Portfolio-Check vorkommen dürfte.