Community ist das Produkt: Wie Web3 neue Marktlogiken definiert

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Moderne Geschäftsmodelle setzen immer mehr auf die Stärke von Gemeinschaften. Die Community ist das Produkt. Materielle oder digitale Güter dienen primär als Marketinginstrument für die Community.

In den letzten Jahren, vor allem im Umfeld von Web3, Kryptowährungen und NFTs, hat die Bedeutung von Communitys deutlich zugenommen. Die bisherige Logik, wonach Produkte oder Dienstleistungen im Vordergrund stehen und die Community als ein nachgelagerter Faktor betrachtet wird, gerät ins Wanken. Stattdessen zeichnet sich eine Entwicklung ab, in der die Community selbst das eigentliche „Produkt“ darstellt, während materielle oder digitale Güter primär als Marketinginstrument für diese Community fungieren. Dieser Perspektivwechsel hat Auswirkungen auf Markenführung, Geschäftsmodelle und die gesamte Wertschöpfungskette in digitalen Ökosystemen.

Das hat weitreichende Implikationen. Einerseits verschiebt sich der Fokus von kurzfristiger Umsatzmaximierung hin zum langfristigen Aufbau von Beziehungen, Identitäten und geteilten Werten. Andererseits stellen sich neue strategische Fragen für Unternehmen, die sich an dieser Entwicklung beteiligen möchten, insbesondere im Finanzwesen. Dieser Artikel beleuchtet die Hintergründe dieses neuen Ansatzes, zeigt anhand des Beispiels „Pudgy Penguins“, wie eine Marke den Community-Gedanken praktisch umsetzt, welche Rolle Tokenisierung dabei spielt und welche Chancen sich für traditionelle Finanzunternehmen ergeben.

Community als Kern des Geschäftsmodells

In klassischen Geschäftsmodellen stehen Produkte, Dienstleistungen oder Technologien im Mittelpunkt. Unternehmen entwickeln Angebote, die sie an Zielgruppen adressieren, um Erlöse zu erwirtschaften. Die dazugehörige Community – verstanden als Stammkundschaft – wird häufig als ein Effekt erfolgreicher Produkte betrachtet. Ihr Zweck lag traditionell in der Steigerung der Markenloyalität, der Absatzförderung oder der positiven Mundpropaganda.

In der Welt von Web3, NFTs und dezentralen Ökosystemen verschiebt sich dieser Fokus. Hier wird die Community nicht mehr als eine nachträgliche Gruppierung um ein Produkt wahrgenommen, sondern sie rückt ins Zentrum des Geschäftsmodells. Die Teilnehmer einer Community tragen selbst aktiv zur Wertschöpfung bei, indem sie Inhalte erstellen, Ideen einbringen, Projekte finanzieren, neue Mitglieder anwerben oder durch ihr Engagement den Bekanntheitsgrad erhöhen. Der Wert der Marke oder des Ökosystems entsteht somit aus der aktiven Mitwirkung und Identifikation der Community-Mitglieder, nicht nur aus dem Angebot eines einzelnen Produkts.

Die Vorstellung, dass die Community selbst das Produkt ist, verweist auf einen Paradigmenwechsel in der Wirtschaft. Im digitalen Raum ist es zunehmend die Gemeinschaft, die dem Angebot erst seinen Wert verleiht. Während in klassischen Geschäftsmodellen die Kundenbeziehung oft eindimensional bleibt (Unternehmen bietet Produkt, Kunde kauft Produkt), ist die neue Dynamik von Offenheit, Teilhabe und Mitgestaltung geprägt. Produkte, Dienstleistungen oder auch Token fungieren hier als Mittel zum Zweck, um die Community weiter auszubauen, sie zu aktivieren und ihren Zusammenhalt zu stärken. Damit wächst die Bindung an das Projekt und die Eintrittsbarrieren für Konkurrenzangebote steigen.

Die Rolle von Produkten als Marketing

Ist die Community das eigentliche „Produkt“, so steht das Unternehmen vor der Aufgabe, die Bedürfnisse, Interessen und Werte dieser Gemeinschaft in den Vordergrund zu stellen. Produkte, Services oder Initiativen sind dann Werkzeuge, um den Zusammenhalt, das Engagement und die Identifikation der Mitglieder zu stärken und fungieren zunehmend als „Marketinginstrumente“. Sie sind weniger Selbstzweck, sondern dienen vor allem dazu, die Werte und die Identität der Community sichtbar zu machen.

Produkte – ob physisch oder digital – übernehmen in diesem Modell eine neue Funktion. Sie sind nicht mehr das Ende der Wertschöpfungskette, sondern vielmehr ein Kommunikationsmittel, durch das Werte, Identität und Markenethos transportiert werden. Produkte spiegeln die Werte der Community und verstärken sie nach außen. Die Community wiederum identifiziert sich mit diesen Produkten, teilt ihre Erfahrungen und erweitert so die Reichweite und Wirkungskraft des Ökosystems.

Diese Art der Wertschöpfung ist nachhaltiger als reine Produktzentrierung. Die Bindung zwischen Mitgliedern und Marke basiert auf gemeinsamen Interessen, Co-Kreation und Austausch. Selbst wenn ein bestimmtes Produkt einmal weniger erfolgreich sein sollte, bleibt die Community als stabiler Kern erhalten. Sie kann auf neue Ideen zurückgreifen, Projekte pivotieren oder weitere Angebote entwickeln, ohne das Fundament des Ökosystems zu verlieren.

Beispiel: Pudgy Penguins – Von NFTs zur Markenwelt

pudgy penguins
Quelle: https://pudgypenguins.com/

Das NFT-Projekt „Pudgy Penguins“ verdeutlicht, wie eine konsequent communityzentrierte Strategie langfristige Markenstärke und Reichweite aufbaut. Die Pudgy Penguins haben sich in den letzten Jahren von einer reinen NFT-Kollektion zu einem umfassenden Markenuniversum entwickelt. Die Kombination aus niedlichen Pinguin-Avataren, einem konsistenten Engagement der Entwicklerteams und einem breiten Medienecho führte zu einer stetig wachsenden Fangemeinde. Mit der Platzierung von physischen „Pudgy Toys“ in Millionen von Haushalten sowie in großen Einzelhandelsketten wie Walmart und Target erreichte die Marke innerhalb kurzer Zeit ein Mainstream-Publikum. Mehr als 50 Milliarden Views über verschiedene Social-Media-Kanäle unterstreichen die immense mediale Präsenz. In den Augen vieler Beobachter ist damit ein Punkt erreicht, an dem Pudgy Penguins als eine der am weitesten verbreiteten und beliebtesten Figuren mit Krypto-Hintergrund angesehen werden kann – nicht zuletzt, weil sie innerhalb und außerhalb der Web3-Szene Anklang findet.

Hier lässt sich der zuvor skizzierte Ansatz deutlich erkennen: Spielzeuge und NFTs werden nicht als reine Gewinnquellen betrachtet, sondern dienen dazu, die Marke in den Alltag der Menschen zu tragen. Die Produkte sind Vehikel, mit denen die Community nach außen sichtbar wird. Wer ein Pudgy-Penguins-Spielzeug besitzt oder ein entsprechendes NFT hält, gehört symbolisch zur Gemeinschaft. Diese Identifikation schafft eine emotionale Bindung an die Marke und fördert ein Zugehörigkeitsgefühl, das über den bloßen Produktkonsum hinausgeht.

Ein wesentlicher Meilenstein für das Projekt war der jüngste Launch des eigenen Tokens „PENGU“ am 17. Dezember 2024. Der Token ist auf der Solana-Blockchain angesiedelt, umfasst insgesamt 88,88 Milliarden Einheiten und knüpft unmittelbar an die bestehende Community an. Etwa 25,9 Prozent des Gesamtvorrats sind für Mitglieder des Pudgy-Penguins-Ökosystems vorgesehen, die im Rahmen eines Airdrops einen Anspruch geltend machen können. Bemerkenswert ist, dass fast sieben Millionen Wallets für diesen Airdrop infrage kommen – darunter auch Nutzer, die mit verschiedenen Protokollen interagiert haben oder Eigentümer von physischen Pudgy Toys sind. Dieser Ansatz verbindet also die digitalen Sammelstücke mit den im Einzelhandel erhältlichen Produkten und überträgt die Idee der Community-Ausweitung auf mehrere, miteinander verknüpfte Kanäle. Mit dem Token-Launch zeigt sich, wie das Projekt traditionelle Markenbildungsstrategien (wie physische Merchandise-Produkte und Social-Media-Kampagnen) mit den Möglichkeiten der Tokenisierung verknüpft, um die Community weiter zu stärken und zu vergrößern.

Mit der Einführung des PENGU-Tokens findet die strategische Ausrichtung auf Community, Markenbekanntheit und Ökosystem-Integration ihren vorläufigen Höhepunkt. Die Tokenisierung erlaubt es, neue Adressatengruppen zu erreichen, Mehrwerte für bestehende Sammler und Käufer zu schaffen und die Möglichkeiten des Markenuniversums weiter auszubauen. Jeder Token-Besitzer ist potenziell auch ein Markenbotschafter, da sein eigenes Vermögen (in Form von Tokens) mit dem Erfolg der Gemeinschaft verbunden ist. Das Beispiel Pudgy Penguins zeigt damit exemplarisch, wie ein NFT-Projekt seine Community zum zentralen Werttreiber macht, Produkte als Marketingvehikel einsetzt und durch die Tokenisierung der Ökosystembestandteile ein skalierbares, wachsendes Universum schafft, das sich nahtlos von digitalen zu physischen Märkten erstreckt.

Was bedeutet das für die Finanzbranche?

Für klassisch produktzentrierte Unternehmen – insbesondere Finanzdienstleister – bieten die beschriebenen Entwicklungen einen Anlass, die eigene Marktlogik grundlegend zu hinterfragen. Die traditionelle Vorgehensweise, bei der Finanzprodukte und Dienstleistungen im Mittelpunkt stehen und der Kunde als nachgelagerter Abnehmer betrachtet wird, tritt in den Hintergrund. An ihre Stelle können verstärkt communityorientierte Ansätze treten, in denen die Kunden nicht mehr bloß Empfänger, sondern zu einem gewissen Grad Mitgestalter, Kooperationspartner und Multiplikatoren sind. Diese Perspektive lenkt den Blick weg von der kurzfristigen Produktoptimierung hin zu langfristigen Strategien, die auf den Aufbau, die Pflege und die aktive Einbindung einer Gemeinschaft setzen.

Die Rolle von Community, Tokenisierung und Web3-Mechanismen lässt sich nicht ignorieren, denn sie schafft neue Marktlogiken. Die Frage ist, wie Finanzinstitutionen daran partizipieren können, ohne ihren regulatorischen Rahmen, ihre Glaubwürdigkeit und ihre traditionellen Geschäftsmodelle zu verlieren.

Die Möglichkeiten für klassische Finanzunternehmen sind vielfältig. Sie können beispielsweise Tokenisierung nutzen, um Investments in bisher schwer zugängliche Anlageklassen besser handelbar zu machen. Dies schafft neue Kundenerlebnisse, erleichtert die Diversifikation und erhöht die Marktdurchdringung. Zudem eröffnen sich durch den Aufbau von Communitys oder die Integration dezentraler Strukturen (etwa in Form von DAO-ähnlichen Modellen) Chancen, Kundinnen und Kunden enger an das Unternehmen zu binden und deren Vertrauen nachhaltig zu stärken. Auch im Bereich der Kundenkommunikation können Finanzakteure von Web3-Mechanismen profitieren, etwa durch die Bereitstellung digitaler Plattformen, auf denen Kunden Wissen austauschen, in den Einführungsprozess neuer Produkte eingebunden werden oder an Entscheidungsprozessen teilnehmen können.

Ignorieren klassische Finanzdienstleister diese Transformation, riskieren sie langfristige Wettbewerbsnachteile. Während immer mehr Unternehmen erfolgreich Community-orientierte Geschäftsmodelle etablieren, könnten Banken und Versicherer, die sich nicht anpassen, den Anschluss verlieren. Kundinnen und Kunden erwarten zunehmend Interaktion, Transparenz und Teilhabe, anstatt rein passiver Konsumenten von Finanzprodukten zu sein. Das Verschlafen dieser Entwicklung bedeutet, potenzielle Kundengruppen nicht zu erreichen, Innovationspotenziale ungenutzt zu lassen und den wachsenden Einfluss neuer Marktteilnehmer – sowohl innerhalb als auch außerhalb des traditionellen Finanzsystems – zu unterschätzen. Dadurch könnte nicht nur die Markenloyalität schwinden, sondern auch die eigene Marktposition empfindlich geschwächt werden.

Fazit: Langfristiger Erfolg durch Gemeinschaft

Die Idee, dass „die Community das Produkt ist“, stellt einen Richtungswechsel in der Wirtschaft dar, der über die Krypto-Szene hinausreicht. Sie reflektiert den Trend, in dem sich Marken, Unternehmen und Projekte zunehmend über ihre Gemeinschaft definieren, anstatt allein über ihre Produkte oder Dienstleistungen. Die Produkte werden dabei zu Vehikeln, um die Gemeinschaft zu stärken, gemeinsame Werte sichtbar zu machen und Beteiligungen zu ermöglichen.

Ein Projekt wie Pudgy Penguins verdeutlicht, wie ein NFT-Projekt zu einem umfassenden Markenuniversum wachsen kann, in dem die Gemeinschaft das zentrale Element darstellt. Durch Tokenisierung und neue Governance-Modelle können solche Gemeinschaften sowohl in der Breite als auch in der Tiefe skalieren.

Die Community darf nicht länger als passiver Konsumentenstamm betrachte werden, sondern sollte als aktiver Mitgestalter des Geschäftsmodells gesehen werden. Unternehmen, die diesen Ansatz nutzen, entwickeln sich nicht nur zu Anbietern von Produkten oder Dienstleistungen, sondern zu Ökosystemen, in denen alle Beteiligten Wert schaffen. Dies ist eine fundamentale Verschiebung in der Wertschöpfungslogik, die auch in Zukunft viele innovative Möglichkeiten eröffnen wird.

Community ist das Produkt: Wie Web3 neue Marktlogiken definiert

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