In Zeiten von Margendruck und steigendem Wettbewerb im Finanzsektor sollte kein Potenzial ungenutzt bleibt – insbesondere bei Konten und Depots, die auf Freemium-Modelle setzen. Die Kunst besteht darin, Kunden von kostenlosen Konten zu Premium-Angeboten zu konvertieren. Hier können wir von Duolingo lernen, dem Meister der Aufmerksamkeitsökonomie und der Monetarisierung: Seit 2018 hat sich die Zahl der täglich aktiven Nutzer vervielfacht, und das Unternehmen verzeichnete 2023 einen beeindruckenden Umsatzanstieg von 47 % im Vergleich zum Vorjahr – größtenteils durch Abonnements.
Was können Finanzdienstleister von Duolingos Monetarisierungsstrategien lernen? Hier sind fünf zentrale Ansätze, die sich auf den Finanzsektor übertragen lassen:
1. Frag nicht nur einmal – frag immer wieder
Duolingo integriert mindestens sieben Touchpoints pro Sitzung, an denen Nutzer auf das Premium-Angebot hingewiesen werden – sei es im Shop, beim Verlust von Herzen oder nach einer Lektion. Für Finanzdienstleister ist diese direkte Herangehensweise nicht 1:1 umsetzbar, aber der Grundgedanke bleibt: Jede Interaktion mit der App sollte eine Gelegenheit sein, den Mehrwert eines Premium-Kontos zu kommunizieren.
Statt eines generischen Banners sollten diese Hinweise in die Customer Journey eingebettet werden. Beispielsweise könnte ein Hinweis nach einer Auszahlung lauten: „Mit dem Premium-Konto wären diesen Monat drei weitere Auszahlungen kostenlos gewesen.“ Oder: „Sie haben diesen Monat 5 € Zinsen erhalten – mit einem Premium-Konto könnten Sie das verdoppeln.“ Solche kontextbezogenen Botschaften sprechen die Bedürfnisse des Nutzers direkt an und machen den Mehrwert greifbar.
Takeaway: Fragen Sie mehrfach und kontextbezogen nach einem Upgrade. Aber achten Sie darauf, dass es sinnvoll in die Nutzererfahrung eingebettet ist.
2. Kontextuelle Paywalls statt Einheitslösungen
Duolingo passt seine Paywalls an den jeweiligen Kontext an. Ob nach dem Verlust aller Leben oder beim Versuch, detaillierte Statistiken einzusehen – die Botschaften variieren je nach Situation. Für Finanzdienstleister bedeutet dies, dass nicht immer der gesamte Premium-Vergleich präsentiert werden muss. Stattdessen sollten nur die Vorteile hervorgehoben werden, die für den aktuellen Kontext relevant sind.
Beispielsweise könnte eine Paywall nach einer Bargeldeinzahlung darauf hinweisen, dass mit einem Premium-Konto keine Gebühren anfallen würden. Oder nach einer Budgetanalyse könnte ein Hinweis erscheinen: „Mit einem Premium-Konto erhalten Sie detailliertere Analysen und Empfehlungen.“
UX-Tipp: Variieren Sie das Design und die Botschaften Ihrer Paywalls, um „Banner-Blindheit“ zu vermeiden.
3. Reverse Trials für mehr Engagement
Duolingo nutzt eine sogenannte „Reverse Trial“-Strategie: Hoch engagierte Nutzer erhalten zeitlich begrenzten Zugang zu Premium-Funktionen. Nach Ablauf der Testphase fällt es schwer, auf die Vorteile zu verzichten – insbesondere wenn ein Rabatt angeboten wird. Dieses Prinzip lässt sich auch bei Finanzdienstleistern anwenden.
Eine Möglichkeit wäre, Nutzern temporären Zugang zu Premium-Funktionen wie zusätzlichen kostenlosen Bargeldabhebungen oder höheren Zinsen zu gewähren. Am Ende der Testphase könnten sie eine Zusammenfassung erhalten: „Sie haben während Ihrer Testphase 25 kostenlose Bargeldabhebungen genutzt.“ Solche Daten verdeutlichen den erlebten Mehrwert und fördern die Zahlungsbereitschaft.
Takeaway: Lassen Sie Nutzer Premium-Funktionen testen und zeigen Sie am Ende der Testphase auf, welche Vorteile sie genutzt haben.
4. Motivation durch individuelle Bedürfnisse
Duolingo setzt auf psychologische Prinzipien wie Kompetenz im Sinne der Self-Determination Theory, um Nutzer zu motivieren. Für Finanzdienstleister ist es jedoch sinnvoller, sich auf andere Bedürfnisse zu konzentrieren – etwa Autonomie (das Gefühl von Kontrolle) oder Verbundenheit (das Gefühl von Zugehörigkeit).
Ein Beispiel wäre im Sinne von Autonomie eine Funktion, die Kunden zeigt, wie sie ihre Finanzen eigenständig optimieren können („Sie haben im Monat durchschnittlich 50€ mehr im Monat als Sie benötigen – Sie können das Geld in einem ETF anlegen, um für ihre Rente vorzusorgen. In 20 Jahren könnten Sie 20.000€ zusätzlich erhalten.“). Alternativ könnten im Sinne von Verbundenheit vergleichende Peergruppen-Statistiken und darauf aufbauend Botschaften zu Motivation sorgen („Sie legen monatlich 50 € zurück – großartige Arbeit! Damit sparen sie mehr als 70% aller Deutschen in ihrem Alter.“).
Takeaway: Setzen Sie auf Autonomie und Verbundenheit statt auf Gamification-Elemente wie Punkte oder Badges.
5. Kontextualisierte Produktvorschläge statt Werbung
Während Duolingo stark auf In-App-Werbung setzt, ist dies für Finanzdienstleister weniger geeignet. Stattdessen könnten kontextualisierte Vorschläge von Produktpartnern integriert werden. Beispielsweise könnte im Ausgabenfeed ein Hinweis erscheinen: „Ihre jährliche Versicherungszahlung steht an – möchten Sie ein günstigeres Angebot prüfen?“ Oder bei Anlageentscheidungen könnten passende Partnerprodukte vorgeschlagen werden.
Durch die Nutzung von Kundendaten lassen sich solche Vorschläge personalisieren und gezielt platzieren – ohne störend zu wirken.
Takeaway: Nutzen Sie Kundendaten für personalisierte Produktvorschläge anstelle klassischer Werbung.
tl;dr:
Die Strategien von Duolingo zeigen eindrucksvoll, wie Freemium-Modelle erfolgreich monetarisiert werden können. Für Finanzdienstleister bedeutet dies:
– Mehrfache, kontextbezogene Hinweise auf Premium-Angebote,
– Anpassung der Botschaften an den jeweiligen Nutzungskontext,
– Temporärer Zugang zu Premium-Funktionen,
– Fokus auf Autonomie und individuelle Bedürfnisse,
– Personalisierte Produktvorschläge statt Werbung.